Ein Wallfahrtstag in Herzfeld

Eine erhebende Feier, die an die unvergessliche Jubiläumsfeier der hl. Ida des letzten Jahres erinnert, sah unser stilles Dörflein am Lippestrand am vorigen Sonntag. In den Abendstunden des Samstags kündeten die herrlichen Glocken der Grabeskirche der hl. Ida den ersten Wallfahrtstag der diesjährigen Ida-Feier an.
Und im Gegensatz zur vorjährigen Jubiläumsfeier, wo leider manche Prozession ganz verregnet ist, scheint die diesjährige von ganz besonders gutem Herbstwetter begünstigt zu sein. In erster Morgenfrühe schon eilten die treuen Herzfelder hin zu ihrem schönen Gotteshaus, um ihrer lieben Heiligen den Tribut des Dankes, der Liebe und der Verehrung zu zollen. Der kunstvolle Reliqienschrein, der die Überreste der hl. Ida birgt, steht aufgebaut zwischen Lorbeerbäumen, Herbstblumen und brennenden Kerzen auf dem hohen Thore der Kirche. Unter den gewaltigen Akkorden der brausenden Orgel singt die gläubige Menge das altehrwürdige Ida-Lied:

Wir preisen deine Herrlichkeit,
Sancta Ida,
Und freu'n uns deiner Seligkeit,
O Patrona,
Ida, dich verehren wir,
Deinen Namen preisen wir,
O erhöre unser Fleh'n,
Sancta Ida, ora pro nobis.

Gegen ½10 Uhr wurde die angemeldete Prozession von der Geistlichkeit des Ortes an der Lippebrücke feierlich in Empfang genommen. Aus der Paderborner Diözese kamen Prozessionen von Hovestadt und Ostinghausen, die ihre Reliqien der hl. Ida mitführten, ferner von Benninghausen und Eickelborn unter Führung der Geistlichkeit.
Selbst den altehrwürdigen Pfarrer Schulte sah man inmitten der Pilger des benachbarten Hovestadt. Feierlich erklingt vom hohen Turm der Ida-Kirche Glockengeläute, die Sonne breitet ihre goldenen Strahlen über unser Dorf aus, und unter den Klängen der Instrumentalmusik der Eickelborner Musikkapelle ziehen die andächtigen Pilger in das reich beflaggte Herzfeld ein. Nach Einzug der Prozessionen beginnt das feierliche Levitenamt, verschönert durch den mehrstimmigen Gesang des Herzfelder Gesangsvereins. Die Kirche ist bis auf den letzten Platz besetzt.

Während des Hochamtes hält der hochw. Herr Pater Albin aus dem Franziskanerkloster Wiedenbrück mit begeisternden Worten die Festpredigt.
Anknüpfend an die Worte des hl. Paulus im Briefe an die Kortinther, schildert er Ida als ein Schauspiel für die Welt, für die Engel und für Gott. Für die Welt, die der hl. Ida doch alles angeboten, hohe Geburt, Reichtum, Geld und Gut. Trotzdem führte sie besonders nach dem Tode ihres Gemahls Egbert ein Leben der Armut, Entsagung und Nächstenliebe 12 lange Jahre als Witwe in der nächsten Nähe der Grabstätte ihres Gemahls. Als ein Engel der Nächstenliebe, als eine liebevolle, treusorgende Mutter teilte sie täglich aus dem steinernen Sarge von den Einkünften und Ersparnissen reichlich aus. Ein Schauspiel für die Welt, die gerade heutzutage darauf ausgeht, Schätze und Reichtümer zu sammeln und dabei das eine Notwendige, den Herrgott und die eigene Seele so vielfach vergißt.

Hier ist uns St. Ida ein Beispiel geworden, wie wir die Not des Lebens, die oft so schwer drückt, im Geiste der hl. Ida ertragen sollen. Weiter schildert der Prediger, wie St. Ida der Welt ein Vorbild geworden ist im Kreuztragen. Eine schmerzliche Krankheit warf sie aufs Krankenlager; beim Kreuztragenden, leidenden Heiland holte sie sich Trost und Stärke, um dieses, ihr schweres Kreuz geduldig tragen zu können. Wiederum ist uns Ida hierin ein Vorbild geworden, wie wir des Lebens Leid und Schmerz zu tragen haben.

Im zweiten Punkte schildert der Festredner St. Ida als ein Schauspiel für die Engel wegen ihrer Herzenreinheit. Rein und makellos lebte sie als Jungfrau im Brautstande, lebte sie als Gattin und Witwe. Allen Jungfrauen und Jünglingen ist sie ein edles Vorbild darin geworden, wie diese, ihre Jugend, besonders ihre Brautzeit rein und makellos verleben sollen. Den Eheleuten zeigt sie den Weg zu einem glücklichen, zufriedenen Familienleben.
Endlich zeigte der Prediger die große Gottesliebe Idas, der Heiligen, wie sie durch ihr tiefes, starkes Gebetsleben ein Schauspiel geworden sei für Gott selbst. Nach dem Geiste des Heilands betete sie vor ihren Kindern, mit ihren Kindern und für ihre Kinder. Wenn heute so viel geklagt und gejammert wird über die schlechten Zeiten, über die Verderbheit der Jugend und die Zerrissenheit der modernen Familie, dann ist kein Heil zu erwarten von den Konferenzen, Beschlussfassungen, Tagungen, sozialen und wirtschaftlichen Fürsorgen allein - so wichtig und nutzbringend diese auch sein mögen - die wahre Besserung der Welt und des Familienlebens wird nicht an erster Stelle erarbeitet, sondern erbetet.
Zum Schluß wies der hochw. Herr Pater darauf hin, daß St. Ida eine Heilige Deutschlands, besonders eine Heilige des Westfalenlandes sei, weshalb auch wir Westfalen sie besonders verehren und in ihren Fußstapfen wandeln sollten.

Kurz nach Mittag kündigte ein Glockenzeichen den Wallfahrern von Hovestadt und Ostinghausen die Stunde des Abschieds von der Gnadenstätte an. Nach Empfang des Ida-Segens zogen die 250 Pilger von Hovestadt und die 300 von Ostinghausen über die Notbrücke der Lippe wieder heim.

Nach der feierlichen Vesper fand die Ueberreichung einer Reliquie der hl. Ida an die Pfarrgemeinde Benninghausen statt.
Diese Reliquie ist vom hochwürdigen Herrn Bischof Johannes von Münster der Gemeinde Benninghausen zum Geschenk gemacht und von den ehrwürdigen Schwestern des Klarissenklosters in Münster in schöner, würdiger Weise für das Reliquienkreuz eingefaßt. Die Uebergabe selbst war eine erhebende Feier und ewig denkwürdige Stunde für beide Gemeinden.
Alle Pilger von Benninghausen waren im Gotteshaus versammelt. Der Mütter- und Jungfrauenverein, die Jünglinge, der Schützen- und Kriegerverein hatten mit ihren herrlichen Fahnen Aufstellung genommen um den kostbaren Reliqienschrein. Der hochw. Herr farrer Leuvering von Herzfeld richtete warme Worte der Aufforderung zur fleißigen und innigen Verehrung der hl. Ida an die zahlreich Versammelten und übergab alsdann dem hochw. Herrn Pfarrer Dahne von Benninghausen das Reliquiar, der seinerseits im Namen seiner Gemeinde seinen innigsten Dank aus sprach und das Versprechen abgab, daß die Grenze der Diözese kein Hindernis sein solle, die Verehrung der hl. Ida zu Pflegen und zu fördern, wie auch St. Ida gewiß bei Verteilung ihrer Liebesgaben keinen Unterschied gemacht habe zwischen Leuten der Paderborner und der Münsterschen Diözese.
Die Liebe kennt keine Grenzen!

Der freudige Ausdruck des Dankes gab sich begeistert kund in den Worten des Ida-Lides:

Du gingest mutig uns voran,
Sancta Ida,
Als Vorbild auf der Tugend Bahn,
O patrona.
Ida, dich verehren wir,
O erhöre unser Fleh'n,
Sancta Ida, ora pro nobis.

Die Mütter von Benninghausen hatten das Reliqular geschenkt, Mütter sollen die Ehre haben, den Schrein beim Auszug aus der Kirche zu tragen. Und ganz glücklich, eine Reliquie der hl. Ida mit in die Heimat nehmen zu dürfen, zogen die 350 Pilger von Benninghausen und Eickelborn heim.
Alles in allem nahm der erste Wallfahrtstag dieses Jahres einen sehr schönen und würdigen Verlauf. Und während dieser erste Wallfahrtstag außer einer Anzahl Jungfrauen aus Neubeckum, die in Begleitung ihres hochw. Herrn Pfarrers Schulte noch am Nachmittag kam, um am Grabe der hl. Ida zu beten, nur nur Prozessionen aus der Diözese Paderborn sah, wird am Montag auch eine Prozession aus der heimatdiözese Münster, und zwar von Hoefman kommen.
Am Dienstag treffen die Wallfahrer von Soest für die um 10 Uhr ein feierliches Levitenamt mit Predigt gehalten wird,ein. Mögen sich die anderen Wallfahrtstage diesem ersten, der mehr als 700 Pilger zum Grabe der hl. Ida führte, würdig an die Seite stellen, mögen sie wahre Gnadentage sein für Herzfeld und das ganze liebe Westfalen.

Wir aber wollen Lob und Dank dir bringen
Und gläubig deine frommen Wege geh'n,
So werden wir das hohe Ziel erringen
Und froh bei Gott dein liebes Anlitz seh'n.

 

     Der Freimütige an der Haar (verm. September 1926. ein Jahr nach der Jubiläumsfeier zum 1100. Todestag der hl. Ida.)