Der siebenjährige Krieg  1757 - 1763

Von den Übeln, welche der siebenjährige Krieg mit sich geführt hat, von der Theuerung in selbiger Zeit, wo der Berliner Scheffel Roggen 10½ Rtha. schlecht Geld kostete, von der grausen Nacht, als der größte Theil des im Herzfelder Felde im Lager gestandenen Kriegsvolks durch Lippborg gaßierte, und weiter nach Üntrop zog, um über die Lippe zu kommen, von der anderen Tags bei Vellinghausen statt gefundene Schlacht, von der Angst, als wärend der Schlacht viele Kanonen Kugelen herüberflogen, und in Häuser, Bleich=Hütten, Bäume gefallen sind, von den ausgeübten Plünderungen und Räubereyen bei öfteren Truppen=Durchzügen, von den beständigen lästigen Vorspansleistungen, von dem Verluste der Pferde und Wagen auf entfernte Monathe lang gedauerten Fuhrreisen, von der Viehseuche in den Jahren 1760 und 1761, von den durch dergleichen Kriegs=Ungemach und Mißgeschiecke für die Gesammt=Gemeinde wie für die Privaten entstandenen Schulden etc. etc. will der eine Alte mehr zu erzählen wissen als der Andere.
Zu diesen Klagen kommen noch die über, die im Jahre 1761 graßiert Ruhrkrankheit, welche in den letzten 4 Monathen des Jahres 116 Menschen weggeraft hat.
Es ist ohnehin an anderen Krankheiten in dem Jahre noch 32 Menschen gestorben, überhaupt also 148. 1)


Auf die Periode ruhiger Entwicklung folgten wieder bewegte unruhige Jahre, nämlich die Zeit des 7jährigen Krieges, die auch unser Gebiet nicht verschonte (1756-1763). Kurköln, und damit unsere engere Heimat war in diesem Kampfe neutral, stand aber den Feinden, Friedrichs II. aus verständlichen Gründen wohlwollend gegenüber. Wenn auch nicht direkt am Kriege beteiligt, so hat doch unsere Gegend zum Teil durch seine Lage sehr viel zu leiden gehabt unter den ständigen Truppendurchzügen hauptsächlich auf dem Postweg, den Einquartierungen, Fouragelieferungen und -fahrten u. ä. mehr. Anfang Mai 1757 erscheinen die ersten Franzosen in Hovestadt.

Da im Amte nicht genug Verpflegung zur Unterhaltung der Truppen vorhanden ist, müssen die Bewohner solche It. Edikt der Arnsberger Regierung von Wer! herbeischaffen. Von nun kommen Tag für Tag neue französische Verbände die Lippe herauf. Neben den schon erwähnten ständigen Fouragelieferungen und -fahrten, der Stellung von Reitpferden für die Kuriere, der rücksichtslosen Beschlagnahme von bebautem Feld und Wiesen für Lagerplätze, sind es hauptsächlich die vielen Einquartierungen, unter denen die Bewohner zu leiden haben. Alle Beschwerden und Berufungen von gräflicher Seite nutzen nicht viel, trotz des im allgemeinen ziemlich guten Verhältnisses zwischen den französischen Offizieren und der gräflichen Familie.

Das ganze Jahr hielten die Franzosen Westfalen besetzt bis zum Frühjahr 1758. Von März bis Mai dieses Jahres gelang es dem neuen alliierten Oberbefehlshaber, Ferdinand von Braunschweig, die französischen Truppen aus ihren westfälischen Winterquartieren zu vertreiben. Am 3. und 4. Mai sah Hovestadt und der Postweg daher wieder zahlreiche französische Einheiten, diesmal in rückwärtiger Bewegung dem Rheine zu. Die Akten, berichten jetzt von schweren Kontributionen in Geld und Naturalien, die der Herzog Ferdinand von Braunschweig zum Teil als Strafe für die Franzosenfreundlichkeit der Untertanen Cl. Augusts diesen auferlegte. Anfang 1759 sind die Forderungen so drückend geworden, daß sich Plettenberg, allerdings vergeblich, um Abhilfe nach Arnsberg wendet.   Mitte April dieses Jahres sind die Franzosen im Begriff, von neuem Westfalen zu besetzen und auch in unsere Heimat vorzudringen. Lippstadt ist noch in alliierter Hand und wird in den Verteidigungszustand gesetzt.

Für die Schanzarbeiten muß Plettenberg Eichenstämme liefern, und zwar sind am 21. Juni geliefert und taxiert 72 Stck. zu 568 Reichstaier, am 29. Juli 75 Stck. zu 675 Reichstaler und kurz darauf 155 Stck. zu 1240 Reichstaler.

Doch dann sind die Franzosen wieder die Herren und ihnen ist wieder Heu und Stroh zu liefern. Ganz Westfalen kommt wieder in französische Hand, bis sich ihr Marschall Contades bei Minden eine schwere Niederlage holt und Westfalen wieder räumen muß. Auch die Hovestädter Gegend fällt zum 2ten Mal in die Hände der Alliierten, weiche derselben wieder schwere Leistungen auferlegen. 

So blieb es bis zum nächsten Winter. Auch der Sommer 1760 brachte keine wesentliche Änderung der Lage. Die Alliierten versuchten Wesel zu belagern, doch ohne Erfolg. Endlose Truppen- und Transportzüge der Alliierten, darunter auch englische Corps, passierten jetzt wieder auf der Lippstadt - Hammer-Straße unsern Ort. Als Zwischenfall wird berichtet, daß englische Abteilungen am 6. Oktober d. J. das hiesige Schloß überfielen und dort raubten und plünderten. Das einzige größere Gefecht hier in der Nähe fand am  15. und 16. Juli des folgenden Jahres (1761) bei Vellinghausen statt, wo die Franzosen eine völlige Niederlage erlitten durch den Herzog Ferdinand von Braunschweig. Die geschlagenen Scharen wälzten sich zunächst lippeaufwärts und setzten dann in südlicher Richtung ihren Rückzug fort.

Der geschlagene Marschall Broglie selbst eilte durch Hovestadt, wo er noch einige Tage vorher glänzend Quartier gehalten hatte, und übernachtete in der »Crehenkapelle« zu Nordwald, von wo er weiter nach Katrop eiite. Unsere engere Heimat bekam dann wieder alliierte Besatzung, welche das Amt noch schärfer als vorher zu Lieferungen heranzogen. Im August nächsten Jahres (1762) waren nochmals die Franzosen hier. Um dann bis zum Kriegsende unsere Gegend den Alliierten zu überlassen. Es folgten einige ruhige Jahrzehnte, welche allmählich die Wunden des Krieges heilten.

im Jahre 1793 läßt der Graf von Plettenberg in Hovestadt eine neue Lippebrücke erbauen, aus starkem Eichenholz, wie der Bericht sagt, nachdem lange Zeit der Verkehr nach Herzfeld mit Kähnen vermittelt war. Für die Benutzung der Brücke wurde ein Brückengeld erhoben, das an den im eigens hierfür errichteten Brückenhause amtierenden Zöllner entrichtet werden mußte.

Die Französische Revolution 1789 mit all Ihren Auswirkungen und besonders die anschließende Zeit Napoleons brachten wieder einschneidende Veränderungen und viel Drangsale und Unruhe über unser Gebiet, über das deutsche Vaterland, ja über fast ganz Europa. Spanien. Italien, Belgien. Holland kamen unter die Herrschaft Napoleons, der sich zum französischen Kaiser aufgeschwungen hatte (1804). In mehreren Schlachten war auch Oesterreichs Macht gebrochen. das sich im Frieden von lunneviile (1800) gezwungen sah. den Rhein als französische Ostgrenze anzuerkennen. 2)
 

Auch zu Herzfeld klagen noch die älteren Leute über das viele Ungemach im 7jährigen Kriege, wie man das überall auf dem Lande thut; von den vielen Fuhrreisen, von weggenommenen und auf Reisen gefallenen Pferden, von beständigen Arbeiten zu Lippstadt, von den Holzlieferungen dahin, von schweren Einquartirungen, Excessen der Maradeurs, Erpressungen, Plünderungen, Mißhandlungen, Theurungen u.s.w. Der Preis eines Beckumschen Müdde Roggens soll einmal bis zu 6 1/2 Rhtr. gestiegen und kaum für Geld zu haben gewesen seyn.

Am empfindlichsten wurde Herzfeld heimgesucht als im Jahre 1761 das Corps welches der hanoverische General Spörken commandirte im Herzfeldschen Felde ein großes Lager bezogen hatte; die ganze Pläne von Grönen Hof bis an die Kesseler Landwehr war von Truppen bedeckt; das Dorf, alle angrenzenden Höfe, Kotten und Häuser waren ohnehin bequartirt.
Das Lager stand vom 10ten bis 28ten Julius; in der ganzen Umgebung waren alle Lebensmittel weggenommen alle Felder abfouragirt, und in den Holzungen traurige Verwüstungen gemacht. Das Hauptquartier war auf dem Schulzenhofe zu Herzfeld. Die Ehefrau des Schulzen wagte es dem General Spörken Vorstellung zu machen; der General, der sofort mehrere Oberofficiere zu sich veranlaßte, gab denselben unter dem noch jetzt vorhandenen alten Birnbaum im Schulten Garten Befehl zur Abstellung des verderblichen Unfugs in den Forsten.

Wir wollen den Namen dieser Schulzen Frau nicht vergessen, sie hieß
Maria Christina geborene Vorsmann

 

Die Anwesenheit des Lagers hatte es bald bewirkt, daß die meisten Einwohner der Gegend schon Hunger leiden mußten, sie suchten und fanden zuletzt selbst im Lager ihre Nahrung. Nach 19 Tagen zogen die Truppen auf einmal nachts in der größten Stille ab; ihr Zug ging durch Lippborg über Üntrop nach der Gegend von Vellinghausen, wo alsbald die Schlacht begann. Kaum war das Kriegsvolk entfernt, als ein anderes Uebel eintrat: unter dem Vieh, was die Truppen nicht aufgezehrt, oder nicht mitgeführt hatten, sowohl unter Hornvieh als den Pferden, entstand eine verheerende Seuche; es blieb zu B. im Breenloh nur eine einzige Kuh übrig. Bei all den Bedrängnissen mußte die Gemeinde nebst den an die Truppen selbst verabreichten natural -Erfordernissen 51 Monathe Schatzungen aufbringen, also eine Summe von ungefehr 12750 Rhtr nach dem damaligen Münz-Tarif.

An der im nehmlichen Jahre 1761 grassirten Ruhr-Krankheit starben in den Monathen September und October 52 Menschen. Die Zahl aller gestorbenen kam im ganzen Jahr auf 92.

Noch im Laufe des 7jährigen Krieges starb der Kurfürst von Cölln Clemens August, ein Prinz aus dem Kur-Hause Bayern; er hatte als Fürst Bischof von Münster seit dem Jahre 1723 schon regieret.

Anfangs des Jahres 1763 erschien der längst ersehnte Frieden, und gleichzeitig mit demselben auch dem Münsterlande ein neu gewählter Fürst. Das gleich im Anfange seiner Regierung angeordnete Dankfest wegen des Friedens ist am 25ten März 1763 überall auf dem Lande, so auch hier gefeiert worden. Maximilian Friederich Kurfürst von Cölln war dieser mit dem Frieden gekommener Fürst, auf welchen Münsterland nach so vielen Leiden seine Hoffnung setzte. 3)

 

Den Verbündeten – Engländern, Hannoveranern, Hessen, Braunschweigern und Preußen gegen die Franzosen – diente als Hauptwaffenplatze zwischen Weser und Rhein Lippstadt. Für diese Stadt hatte zunächst Herzfeld die lästigen Fuhren zu machen, Holz zu liefern für die Verschanzung der Stadt und Korn für die ausgedehnten Bäckereien.

Dazu stellte sich bald – wegen der Konzentration der Truppen dahin – noch andere Übel ein: „Schwere Einquartierungen, Exzesse der Maradeurs, Erpressungen, Plünderungen, Mißhandlungen, Teuerungen der Lebensmittel etc.“ So klagten um 1818 noch alte Leute – Die Vertreter einer lebendigen Tradition. – Der empfindlichste Kriegsdruck fiel in das Jahr 1761. – bereits im Jahre 1758 kampierten die Engländer auf dem Kirchhofe und ward für sie – zu Lagerfeuern – ein Fuder Holz dahin gefahren; 1760 kann die „Bauer der Einquartierungen wegen ordnungsmäßig nicht abgehalten werden“ – ist „verstöhret“ -; allein seit dem der General Spörken mit seinem ganzen Corps Hannoveraner – vom 10. Juli bis zum 28. Juli – im Herzfelder Felde das Lager aufgeschlagen, stieg die Not aufs Höchste.

Das Hauptquartier stand auf dem Schultenhofe. Das Dorf, alle angrenzenden Höfe und Kotten und Häuser sind mit Soldaten belegt, die Pläne zwischen Grönen-Hof – auf dem Sande – und der „Kesseler Landwehr“ erscheinen mit Truppen bedeckt. – Die Lebensmittel sind bald aufgezehrt, die Felder abfouragiert, die Waldungen kläglich verwüstet. Erst auf das mannhaft  eingetreten der Schultenfrau Maria Christina geb. Vorsmann beim General erging an alle Offiziere – unter dem 1820 noch vorhandenen alten Birnbaum – eine strenge Ordre gegen den Holzfrevel.

In der Nacht vom 15. zum 16. Juli 1761 zog endlich Herzog Ferdinand, der Anführer aller Verbündeten, den General Spörken – nachdem seine Hauptarmee bei Vellinghausen von den Franzosen schon heftig angegriffen – bei Haren über die Lippe, da der Üntruper Übergang abgebrochen war. Um 3 Uhr morgens stößt das hannoversche Korps zur Armee – im vollen Artillerie= und Musgetierfeuer -, fällt den Franzosen in den Rücken und schlägt sie total nach 5stündigem Kampfe. Sie retirierten bis hinter Soest. Nach Abzug der Truppen trat die Ruhr ein: es starben in den Monaten September und Oktober 52 Menschen, im ganzen Jahre 92; außerdem „verreckte“ fast alles Vieh, die „Bauer verzichtet auf das Weidegeld“. Die Schatzungssumme für die Gemeinde erreichte die enorme Höhe von 12750 Thlr. – für 15 Monate.

Nähere Ausschlüsse giebt die Kirchspielsrechnung von 1763 bis 1774 incl., abgelegt zu Ölde am 10. und 11. August 1775.

Zu derselben figurieren noch – um Anderes zu übergehen – obsta rationum von 1755, 1759, 1760, 1761, 1762; Restanten von 1762 werden als „ohnerzwinglich“ aufgeführt; und die stets wiederkehrende Phrase, „wegen der wüsten Erben hätte Receptor die designierten Rückstände  bestmöglich beizutreiben“, charakterisiert die traurigen, ökonomischen Zustände. 4)

 

Quellenhinweise:
1) Festschrift “800 Jahre Lippborg 1189 - 1989”
2) “Hovestädter Chronik” von August Adrian 1975
3) Chronik 1818 Pfarrer Schwarz
4) Joseph Herold: “Die tausendjährige Geschichte des Gemeinwesens Herzfeld”