Chronik des Kirchenbaus

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Man schrieb das Jahr 1902. Der Neubau der Kirche (Dom) in Herzfeld war vollendet. Die Kirchenbesucher, auch aus Hovestadt, Nordwald, Schoneberg, vereinzelt aus Niederbauer freuten sich, dass sie jetzt in dem geräumigem schönen Gotteshaus genügend Platz fanden.

Seit undenklichen Zeiten waren die Katholiken aus Hovestadt und Nordwald auf den Kirchenbesuch in Herzfeld angewiesen. Auch die Kirchenbesucher aus Schoneberg gingen zu 70-80% nach Herzfeld, besonders aus der Heide und dem Krimpenland.

Die Schlosskapelle in Hovestadt bot höchstens, einschließlich der Empore (Bühne genannt), 100 Personen Platz. An Sitzplätzen waren unten etwa 50 vorhanden. Die Bänke waren zum größten Teil Eigentum der Einwohner aus Hovestadt, Nordwald und Schoneberg, woraus sich dann die unangenehme Erscheinung ergab, dass der Eigentümer der Bank bei seinem Erscheinen die Räumung der vollbesetzten Bank forderte. Von der Empore konnten nur 7 Personen den Altar sehen. Eine Kniebank mit Sitz und drei Sitzbänke boten den 30-40 Besuchern dort oben teilweise Sitzgelegenheit. Außer den Kindern, die auf den bloßen Steinen den Altar dicht umlagerten, wurde die Kapelle meist nur von älteren Leuten besucht. Einzelne Jugendliche rekelten sich vor der Absperrleiste des Seitenaltares herum, ein halbes Dutzend standen in der Sakristei, ohne den Altar zu sehen. Einige begnügten sich mit einem Sitz auf der dunklen Treppe zu der Empore, ohne das geringste vom Gottesdienst zu hören oder zu sehen.

Niemand dachte auch nur im entferntesten daran, diesen unwürdigen Zustand zu ändern. Der Pfarrer Butterweck aus Oestinghausen soll allerdings bei einer Visitation den Zustand als sehr unwürdig bezeichnet haben. Erst musste das Beichten in Herzfeld zur Katastrophe führen. War schon in der alten Herzfelder Kirche der Beichtstuhl des guten Pfarrers Steinmann an Tagen vor den hohen Feiertagen umlagert, so bildete sich in der neuen Kirche ein unmöglicher Zustand heraus.

An gewöhnlichen Samstagen gingen damals nur wenige zur Beichte. Allgemein begnügte man sich mit 3 bis 4 Beichten im Jahre, viele gingen nur zu Ostern zu den Sakramenten.

Dann war aber an dem Beichtstuhl Steinmannns, von dem man sagte, er segnete mit beiden Händen, ein so störendes Gedränge, wie man es nur in Wallfahrtsorten gewöhnt war. Darum sah sich der Pfarrer auf Drängen der Herzfelder gezwungen, von der Kanzel zu verkünden, dass die Auswärtigen so lange vor dem Beichtstuhl warten müssten, bis die Herzfelder fertig seien, und diesen das Recht gab, allen Fremden vorzugehen.

Josef Biele aus Hovestadt hatte diese Verkündigung infolge seiner Schwerhörigkeit nicht verstanden, darum kam es bei nächster Gelegenheit am Beichtstuhl zu einem so großen Handgemenge, dass der Pfarrer sich genötigt sah, aus dem Beichtstuhl zu kommen und den Streit zu schlichten. Das hatte dem Fass den Boden ausgeschlagen. Den Guts- und Brennereibesitzer, sowie Gastwirt und erster Bürger der Gemeinde nach dem Grafen wurmte es, als Bürger II. Klasse behandelt zu werden. Er berief seine gleichaltrigen Freunde Franz Adrian und Fritz Herold zu sich und erklärte ihnen:

Nun bauen wir selbst eine Kirche!

Zuerst holten sie sich Rat bei Pfarrer Butterweck in Oestinghausen, der gerne zustimmte und ihnen riet, eine Pfennigsammlung anzufangen. Dann aber zum Grafen. Auch dieser war einverstanden und wünschte, wenn möglich, nicht auf dem Schlosshof zu bauen, sondern in der Gemeinde ein passendes Grundstück zu erwerben. Auch in Paderborn wurde den Dreiender Rat gegeben, nicht auf fremden Grund zu bauen, denn wie man aus Erfahrung wüsste, entstünde daraus vielfach später Streit.

Nun stand der Gründung eines Kirchenbauvereins kein Hindernis mehr entgegen. Aber man hatte nicht mit dem gräflichen Rentmeister, Gemeindevorsteher und Sparkassenleiter Keimer gerechnet, man hatte ihn übergangen und das ließ er sich nicht gefallen. Bei der ersten öffentlichen, stark besuchten Gemeindemitgliederversammlung aus Hovestadt und Nordwald versuchte er mit allen Mitteln die Gründung des Kirchenbauvereins und vor allem die Sammlung von Geldern zu verhindern. Nach stundenlangen erregten Auseinandersetzungen konnte sich Keimer unter keinen Umständen mit einer Geldsammlung einverstanden erklären. Da spielten die drei Kirchenbauer ihren letzten Trumpf aus und sagten, dass sie bereits 60 Mark hätten. (Sie hatten jeder 20 Mark als Grundstock hergegeben). Wie aus den Woken gefallen erklärte Keimer nun spontan, er wolle die erste Sontagssammlung übernehmen.

Er sammelte in Hovestadt mit der Büchse, in die seit mehr als 50 Jahren all sonntags für das Krankenhaus Pfennige gesammelt wurden, mehr als 20 Mark. Für die Gemeinde Nordwald und später eine zweite Büchse für Hovestadt wurden angeschafft. Mit einer Büchse für Hovestadt dauerte die Sammlung bis in den Nachmittag hinein. Wir Handwerker spendeten durchweg 50 Pfennig, Bessergestellte mehr, andere weniger, sodass sonntags in drei Büchsen 10 bis 20 Mark zusammenkamen. Meute erscheinen diese Beträge gering, aber zu jener Zeit waren 50 Pfennig viel Geld. Ein Tagelöhner verdiente damals etwa 2 Mark täglich. Verheiratete Knechte mit einer Schar Kindern bekamen bei den Bauern außer der Kost 1 Mark täglich.

Nach einigen Jahren sammelten wir nicht mehr jeden Sonntag, sondern monatlich. Wir erhöhten dementsprechend die Spende auf 2 Mark. Wir beschränkten uns aber nicht nur auf die Büchsensammlung. Die alten Eheleute Bracht, die im Pferdewagen mit Textilien und Kolonialwaren auf die umliegenden Dörfer fuhren, führten immer eine Büchse mit. Auch sonst wurde gelegentlich einer Familienfeier oder einer öffentlichen Feier für die Kirche gesammelt. Besonders das Schützenfest und die Kaisergeburtstagsfeier des Kriegervereins waren ergiebige Quellen. Die Schützenfestsammlung brachte 100 Mark und mehr ein.

Einen Auftrieb des Baugedankens und des Geldsammelns brachte ein Zwist zwischen der Frau Gräfin und dem derzeitigen Vikar Dane, der das Ansinnen der Gräfin, den Religionsunterricht für ihre Kinder auf dem Schlosse und zwar unter ihrer Aufsicht zu erteilen, abgelehnt hatte. Selbstverständlich war er bereit, den Unterricht in seiner Wohnung zu erteilen. Darob war im Schlosse große Empörung. Ein Bericht nach Paderborn und Vikar Dane wurde versetzt und musste innerhalb 3 Tagen Hovestadt verlassen.

Grosse Empörung auch in der Gemeinde wegen des Unrechts, das man dem allgemein beliebten Vikar zugefügt hatte. Auf einer überfüllten Versammlung im Bieleschen Saal versuchte der gräfliche Rentmeister unter allen Umständen einen Fackelzug für den scheidenden Vikar zu verhindern Auch die Einwendung Keimers, dass ein Fackelzug nur einem Pfarrer bei einem Jubiläum zustehe, fruchtete nichts. Es wurde ihm erklärt, die Fackeln seien schon gekauft. Auf seine Frage, wie viel das wären, erwiderte Heinrich Knierbein: ,,Für jeden eine!" Damit war die Besprechung beendet. Eine Musikkapelle wurde bestellt und noch nie hatte Hovestadt so einen umfangreichen Fackelzug erlebt wie diesen.

Nach Jahren waren ca. 8000 Mark zusammen. Jetzt glaubte der Rentmeister Keimer seine Stunde sei gekommen. Er berief eine öffentliche Versammlung nach Ziegler ein. Das große Zimmer fasste die Besucher nicht, sodass ein Teil im Nebenzimmer Platz nehmen musste. Er schlug nun dem Kirchenbauverein vor, mit dem Geld das ganze Kapellengebäude auf dem Schlosshofe zu einem Raum auszubauen. Große Entrüstung und allgemeines Ablehnen, das mühsam gesammelte Geld auf einem fremden Grundstück zu verplempern. Zwar sollte eine Brücke über den Schlossgräben gegenüber Ziegler direkt in die Kirche führen, Alle Versuche Keimers, den Kirchenbau in der Gemeinde zu verhindern, trachten nur neuen Auftrieb zur Geldsammlung.

1907 wurde der Verein Frohsinn als Teilverein des Kirchenbauvereins gegründet. Den Vorsitz führte Lehrer Hesse, 21 Mitglieder waren es anfangs, bis 1914 gesellten sich noch 14 dazu und im Jahre 1921 nochmals 9 Mitglieder.

Dieser Verein stellte sich die Aufgabe, durch Veranstaltung von Theateraufführungen und Waldkonzerten Gelder für den Kirchenbau zu sammeln. Gleich die erste Veranstaltung war ein voller Erfolg. Die Theateraufführung brachte einen Reinertrag von 188 Mark. Die ersten Bürger von Hovestadt, auch die älteren, unter anderen Apotheker Murdfield, Sparkassengegenbuch-führer und Gastwirt Ziegler, Adrian, Herold, Rodehüser und andere stellten sich auf die Bühne und mimten den Komiker.

Ich selbst und mein Freund Anton Herold (Onkel Tönne) versuchten uns nur ein Mal als Bummelant und Angeklagter vor Gericht. Später begnügte ich mich mit dem Souffleurposten und Onkel Tönne leitete den Betrieb hinter der Bühne. Der größte Erfolg aber war das erste Waldfest, zu dem der Graf den Althof hergab. Unter mächtigen Eichen und Buchen wurde ein Podium mit Zeltdach aufgeschlagen und eine Reihe Trink- und Kirmeszelte, aber kein Tanzzelt. König aus Bettinghausen Stellte uns sein Kirmeszelt unentgeltlich zur Verfügung und lieferte die Waren zum Einkaufspreis. Die Zelte mit dem Schlagrad, Runter mit dem Zylinder und das Kuchenzelt hatten großen Zulauf. Eine Musikkapelle und der Gesangverein Herzfeld-Hovestadt sorgten für Unterhaltung.

Es war das größte Fest, das je in Hovestadt gefeiert wurde. Die Bewirtung lag ausschließlich in den Händen des "Frohsinns". Alle Arbeiten, auch die Fuhren, wurden umsonst geleistet. Der Auf- und Abbau der Zelte erforderte von uns mehr als eine Woche Arbeit. Frauen und Mädchen halfen beim Schmücken , Bedienen, Kochen und Spülen. Junge Mädchen, als Zigeunerinnen verkleidet, versuchten sich als Blumenverkäuferinnen. Zum Kaffee waren viele Kuchen gestiftet worden.